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Vertragliche Vorkehrungen betreffend Künstliche Intelligenz (KI)

Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben bereits im März des Kalenderjahres 2024 die sogenannte „KI-Verordnung“ (den AI Act) angenommen. Sie ist nach Prüfung von Rechts- und Sprachsachverständigen am 1. August 2024 in Kraft getreten (EU-Verordnung 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für die künstliche Intelligenz und zur Änderung verschiedener früherer Verordnungen).

Gepriesen wird der EU AI Act als erste umfassende Verordnung über Künstliche Intelligenz durch eine Regulierungsbehörde weltweit. Die Anwendungen werden in drei Risikokategorien eingeordnet, nämlich in inakzeptable Risiken (wie z.B. staatlich betriebene Social Scorings wie etwa in China), in Anwendungen mit hohem Risiko (z.B. Tools zum Scannen von Lebensläufen, die eine Rangfolge der Bewerber herstellen) sowie sonstige Anwendungen mit begrenztem oder minimalem Risiko. KI-Systeme mit begrenztem Risiko müssen nur Transparenzanforderungen erfüllen, minimale Risiken lösen keine spezifischen regulatorische Vorgaben aus.

Obwohl natürlich das Anliegen der EU zu begrüßen ist, ein hohes Schutzniveau für die Gesellschaft zu sichern und gleichzeitig Innovationen zu fördern, dürfte die praktische Umsetzbarkeit der Verordnung nicht einfach werden, sie schafft insbesondere hohen Bürokratieaufwand, der schon bislang harsche Kritik an EU-rechtlichen Vorgaben im Wirtschaftsleben hervorrief. Die Zielsetzung an sich erinnert an die Quadratur des Kreises.

Ohne Rücksicht darauf, wann die EU-Verordnung umgesetzt wird, bedarf es bereits jetzt vertraglicher Vorkehrungen insbesondere im Bereich der Lizenzierung von Software und im Rahmen von Einkaufsbedingungen, insbesondere wenn sie IT-Produkte zum Gegenstand haben. Auch im Rahmen des Datenschutzes müssen vertragliche Regelungen zur Auftragsdatenverarbeitung betreffend KI ergänzt werden, wenn Unternehmen Produkte untereinander austauschen, die teilweise mit Künstlicher Intelligenz geschaffen wurden. Unternehmen sind gut beraten, jedenfalls Anzeigepflichten vorzusehen, soweit KI-Leistungen in ihrer Software oder in IT-Dienstleistungen implementiert sind.

Eine Anpassung bisheriger Standard-Regelungen in Bezug auf Künstliche Intelligenz ist jedenfalls angezeigt.

Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt  

Beschwerden von Arbeitnehmern über Social Media

Das Oberlandesgericht Hamburg hat am 8. Februar 2024 einen bemerkenswerten Beschluss erlassen (7 W 11/24):

Ein Arbeitnehmer hatte sich auf der Internetplattform kununu über seinen Arbeitgeber beschwert. Kununu ist dazu da, dass Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien von Arbeitnehmern anonym bewertet werden können. Inzwischen soll es über 5 Millionen Bewertungen zu über 1 Million Unternehmen geben.

Eine Arbeitgeberin zweifelte die Echtheit der negativen Beurteilung bei kununu an und verklagte die Internetplattform auf Löschung. In früheren Verfahren hatte kununu in solchen Fällen lediglich anonymisierte Nachweise von Bewertenden bei Gericht vorgelegt und damit nach Auffassung der Gerichte deren Echtheit belegt.

Damit könnte jetzt nach der Entscheidung des OLG Hamburg Schluss sein. Aufgrund der oben zitierten Eilentscheidung des OLG Hamburg muss kununu bei einer konkreten Beanstandung die Echtheit der Bewertung überprüfen. Dabei müsse der Plattformbetreiber die Anonymität der bewertenden Person aufheben und bei Zweifeln an der Echtheit der Bewertung dauerhaft löschen. Auf Datenschutz könne sich kununu hierbei nicht berufen.

Arbeitgeber müssen negative Bewertungen bei kununu künftig nicht ohne Weiteres hinnehmen. Arbeitnehmern ist zu raten, nur wahrheitsgemäße und belegbare Beschwerden über den jeweiligen Arbeitgeber bei kununu anzumelden. Andernfalls drohen unter Umständen arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Die Glaubwürdigkeit von Bewertungen von Arbeitgebern bei kununu wird durch diese Entscheidung des OLG Hamburg vermutlich erhöht.

Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Hinweispflichten des Arbeitgebers, die den Urlaub betreffen

Seit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 6. November 2018 (C-684/16) und des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16) steht fest, dass ein Urlaubsverfall oder ein Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen nach dem Bundesurlaubsgesetz nur eintritt, wenn Arbeitgeber ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen sind.

Zwar war es auch vorher schon sinnvoll, einem Ansparen von voluminösen Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer entgegenzuwirken, d. h. Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs aufzufordern. Arbeitgeber können jedoch seit 2018 nicht mehr den Verfall von Urlaubsansprüchen einwenden, wenn sie ihren Arbeitnehmern nicht ausreichende Hinweise dazu gegeben haben, dass der Urlaub verfällt, wenn er im laufenden Kalenderjahr nicht genommen wird.

Ohne derartige Hinweise verfallen Urlaubsansprüche praktisch nicht mehr, allenfalls dann, wenn Arbeitnehmer während des gesamten Kalender- bzw. Urlaubsjahres bis zum Ende des darauffolgenden Quartals am 31. März des Folgejahres erkrankt sind. In diesem Fall wäre ein Hinweis des Arbeitgebers auf die Inanspruchnahme des Urlaubs sinnlos gewesen.

Diese Rechtsprechung von EuGH und BAG sollten Arbeitgeber zum Anlass nehmen, ihre von der Rechtsprechung aufgestellten Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen. Nur dann tritt Verjährung oder Verfall von Urlaubsansprüchen noch ein.

Empfehlenswert ist, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zu Beginn jedes Kalenderjahres in Textform über die Anzahl der Ihnen zustehenden Urlaubstage informieren, sie gleichzeitig auffordern, den Jahresurlaub so rechtzeitig wie möglich zu beantragen und innerhalb des laufenden Urlaubsjahres zu nehmen sowie auch auf die Konsequenzen hinweisen, falls Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung in Anspruch genommen werden sollte.

Solche Schreiben sind durchaus digital möglich, d. h. sie können per E-Mail an die Arbeitnehmer versendet werden (am besten mit Lese- oder Empfangsbestätigung).

Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Widerruf von alten Darlehensverträgen nach neuester EuGH-Entscheidung wieder möglich!

Das „ewige“ Widerrufsrecht kehrt zurück!

Verwenden Banken die gesetzlichen Muster, sollten sie bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung in Darlehensverträgen aller Sorgen ledig sein. So der Tenor verschiedener Urteile des Bundesgerichtshofes (zuletzt Urteil vom 26.11.2019 – XI ZR 307/18).

Widerruf möglich! – so nach dem neuesten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. März 2020 (AZ C 66/19).

Klar und prägnant soll dem Verbraucher nach Auffassung des EuGH in der Widerrufsbelehrung erklärt werden, wann in seinem konkreten Fall die Widerrufsfrist nach Abschluss eines Darlehensvertrages  beginnt und wann sie endet.

Der EuGH belebt den „Widerrufsjoker“ für Immobilienkredite und Kfz-Finanzierungen neu. Das Gericht erklärt eine derzeit weit verbreitete Klausel für unvereinbar mit europäischem Recht, zu finden in vielen Darlehensverträgen, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind.

In dem sensationellen Urteil vom 26. März 2020 hat der EuGH entschieden, dass die meisten Darlehensverträge, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind, fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten. Damit begann aber die Widerrufsfrist für diese  Kreditverträge  nicht zu laufen. Die Darlehensnehmer – soweit sie den Vertrag als Verbraucher i.S. des Bürgerlichen Gesetzbuches abgeschlossen haben-  können ihre  Verträge auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen. Das „ewige“ Widerrufsrecht kehrt  zurück!

Was aber ist fehlerhaft in den vom EuGH geprüften Widerrufsbelehrungen?

Beanstandet wird der sogenannte „Kaskadenverweis“, der sich in ihnen befindet. Die Bank muss dem  Darlehensnehmer klar sagen, wann die reguläre Widerrufsfrist von 14 Tagen zu laufen beginnt. In den problematischen Widerrufsbelehrungen werden diese sogenannten Pflichtangaben nicht klar benannt, vielmehr  wird schlicht auf „§ 492 Abs. 2 BGB“ verwiesen. Dort wiederum findet sich ein Verweis auf andere Gesetzesregelungen. Der Verbraucher wird von einer Norm zur anderen in diversen Gesetzen geschickt (sog. Kaskadenverweis). Da die Gesetzestexte zudem in der Vergangenheit mehrmals abgeändert worden sind und nur in bestimmten zeitlichen Phasen galten,  ist die Prüfung selbst für Juristen anspruchsvoll.

Dies läuft nach Einschätzung des EuGH (wohl zu Recht) dem Verbraucherschutz zuwider und ist mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren. Der Verbraucher muß in klarer und prägnanter Form in die Lage versetzt werden, den Beginn der Widerrufsfrist selbst zu berechnen. Wenn das  -wie im Falle des Kaskadenverweises -nicht der Fall ist, dann ist der Verbraucher weiterhin zum Widerruf des Darlehensvertrages berechtigt. Die 14tägige Widerrufsfrist begann gar nicht zu laufen. Der Bankkunde kann sein Darlehen auch Jahre nach dessen Abschluss noch widerrufen.

Bei Baufinanzierungen ist das Urteil für die Darlehensnehmer besonders interessant, weil damit die aus heutiger Sicht hohen Zinsvereinbarungen aus den Jahren 2010 bis 2016 ersetzt werden können durch aktuell wesentlich niedrigere Zinsen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt dabei nicht an. Im Jahr 2012 wurden Finanzierungen mit Zinssätzen von ca 4 % gezeichnet, das aktuelle Zinsniveau liegt bei ca. 1 %. Die Ersparnis beträgt häufig mehr als 10.000 Euro.

Interessant kann auch der Widerruf einer Kfz-Finanzierung sein mit der Chance, das Fahrzeug zurückzugeben. Der Kunde erhält dabei seine Anzahlung und sämtliche Raten zurück. Dann könnten auch Eigentümer von Diesel-Fahrzeugen, die einen Wertverfall ihrer Fahrzeuge zu beklagen haben, ihr Fahrzeug loswerden,  ohne die Manipuilation am Motor  durch den Hersteller beweisen zu müssen. Und dies unabhängig vom Hersteller oder Typ des Fahrzeugs.

Was können betroffene Verbraucher jetzt tun? Nach Prüfung der Widerrufsbelehrung können sie bei Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung denWiderruf erklären und Herausgabe der bereits gezahlten Darlehensraten  abzüglicheinemErsatz für die Kapitalnutzung bzw. einer Nutzungsentschädigung (beim KFZ-Leasing)  verlangen.  Soweit die Bank  Rückzahlung verweigert,  müsste Klage erhoben werden.

Kostenschonender ist vermutlich der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung durch Stellung eines Güteantrags bei einer staatlich anerkannten Gütestelle (Formular unter: www.franz-ritter.de). Der der Bank zugestellte Güteantrag eröffnet ein Mediationsverfahren, welches evtl. zu einer rechtsgültigen Einigung führt,  wenn auch die Bank Interesse an einer Einigung hat.

Bei aller Euphorie über den neu gewonnenen „Widerrufs-Joker“ ist zu bedenken, dass der Bankkunde nach dem Widerruf und der Rückabwicklung eine alternative Finanzierung braucht (falls das Darlehen  nicht bereits zurück gezahlt ist). Diese muss vorher gesichert sein. Sollte diese neue Finanzierung wegen veränderter Bonität oder aus anderen Gründen nicht zu erhalten sein, hätte der Kunde mit der Erklärung des Widerrufs ein Eigentor geschossen. Juristische Beratung ist daher vor der Erklärung des Widerrufs dringend geboten.

Dabei  wird auch die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 31. März 2020 zu berücksichtigen sein (XI ZR 98/19). Danach stehen den Verwendern der Widerrufsbelehrungen (d. h. den deutschen Banken) Vertrauensschutz zur Seite, wenn sie sich am gesetzlichen Muster orientiert haben. Der BGH widerspricht der Sache nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofes. Was Bestand hat, dürfte vermutlich am Ende das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben.

Lassen Sie sich von uns beraten – gerne prüfen wir die Ausssichten bei Ihren Verträgen. Profitieren Sie und nutzen Sie die neu eröffneten Möglichkeiten!

Rechtsanwälte Franz X. Ritter und Dr. Walter Brunner

Arbeitsrechtliche Maßnahmen während der Corona-Krise

Die gesetzlich angeordneten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung haben beim Kampf gegen die Pandemie und der Eindämmung der Infektionszahlen erste Wirkung gezeigt.

Massive betriebliche Einschränkungen waren die Folge und werden für eine gewisse Zeit auch so bleiben.

Soziale Kontakte und normale Tätigkeiten sowie Besuche von Geschäften, Arztpraxen oder Restaurants können nicht aufrecht erhalten werden.  Betriebliche  Produktion stockt wegen unterbrochener Lieferketten bzw. die Leistungserbringung mangels Nachfrage.

Um die eigene wirtschaftliche  Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten, können Arbeitgeber im Einvernehmen mit ihren Arbeitnehmern Kurzarbeit verabreden und Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit beantragen. Selbst wenn dies zur Kürzung der Nettovergütung der Arbeitnehmer führt.

  1. Zunächst war von der Bundesregierung angekündigt worden, dass auch ohne vorherigen Überstundenabbau und Urlaubsgewährung ab April diesen Jahres die Beantragung von Kurzarbeitergeld möglich sein sollte, sobald das Bundesministerium für Arbeit und Gesundheit die angekündigte Rechtsverordnung auf der Basis des Gesetzes zur krisenbedingten Verbesserung der Regelungen zum Kurzarbeitergeld erlassen habe (BGBl. I 2020 Nr. 12, S. 493). Die Rechtsverordnung vom 25. März 2020 sieht diese Erleichterung für Arbeitgeber jedoch nicht vor (KugV v. 25.03.2020 BGBl. Teil I Nr. 14).
    Daher kann Kurzarbeitergeld nur erwartet werden, wenn die betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls Überstunden im Wesentlichen abgebaut haben und Urlaubsgewährung zumindest angeboten worden ist. Die Agentur für Arbeit dürfte im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung entgegenstehende Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen und nicht deshalb die Zahlung von Kurzarbeitergeld ablehnen, weil noch nicht der gesamte Urlaub für das laufende Kalenderjahr gewährt worden ist. Alturlaub aus vorangegangenen Jahren müsste jedoch gewährt worden sein.
  2. Allen von der Krise betroffenen Arbeitgebern ist zu raten, frühzeitig mit den Arbeitnehmern einen Organisationsplan zu erstellen, in welchem Umfang die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer für die nächsten Wochen zur Aufrechterhaltung des jeweiligen Betriebes benötigt wird und inwieweit Überstunden abgebaut und Urlaub in Anspruch genommen werden kann.  Ohne Einverständnis der Arbeitnehmer, das auch im Arbeitsvertrag verabredet worden sein kann, ist die Einführung von Kurzarbeit nicht möglich.
  3. Entgeltfortzahlung wegen Krankheit schuldet der Arbeitgeber jedenfalls dann, wenn eine Erkrankung des Arbeitnehmers durch AU-Bescheinigung nachgewiesen ist. Streitig und evtl. abhängig von den Regelungen des Arbeitsvertrages ist, inwieweit der Arbeitgeber Vergütungszahlung schuldet, wenn der Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Maßnahmen nicht zur Arbeit erscheinen kann. In diesen Fällen sind Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer denkbar. Um Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu vermeiden, wird es in solchen Fällen sachdienlich sein, Kurzarbeit einzuführen.
  4. Direkte finanzielle Hilfen des Bundes und der Länder für manche von der Krise betroffenen Arbeitgeber und Selbständige werden oder sind mittlerweile schon ausgezahlt worden.

Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht